Eine Gruppe von Personen in weißen Kitteln steht in einer Produktionshalle.
Das Lernende Netzwerk zu Besuch bei KEB Automation KG

Lernendes Netzwerk – Von der Prozessoptimierung zu Industrie 4.0

Ein Netzwerk mittelständischer Unternehmen aus OWL, die voneinander lernen wollen und den langen Weg zu Industrie 4.0 gemeinsam beschreiten.

Wie werden sich Industrie 4.0 und Digitalisierung auf die Geschäftsprozesse meines Unternehmens auswirken? Sind meine derzeitigen Prozesse und Abläufe fit für die Digitalisierung? Und wo stehe ich im Vergleich zu den Mitbewerbern?

Diese Fragen haben sich auch acht mittelständische Unternehmen aus Ostwestfalen-Lippe gestellt und beschlossen, bei der Gründung des Lernenden Netzwerks „Von der Prozessoptimierung zu Industrie 4.0“ im Jahr 2018 dabei zu sein. Für zwei Jahre haben sich die acht Unternehmen aus verschiedenen Branchen des verarbeitenden Gewerbes gemeinsam auf den langen Weg zu Industrie 4.0 gemacht. Dabei werden sie von Experten aus der Technischen Hochschule OWL, des Instituts für wirtschaftliche und technologische Unternehmensführung (IWT), des Instituts Industrial IT (InIT) und des Fraunhofer IOSB-INA begleitet. Aus den Unternehmen nehmen jeweils meist zwei Personen aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen teil.

Während der Projektlaufzeit übernehmen die teilnehmenden Unternehmen jeweils einmal die Rolle des Gastgebers und laden alle Netzwerkteilnehmer zu einem „aktiven“ Betriebsrundgang ein. Im Fokus: Auftragsabwicklung, Produktions- und Logistikprozesse, Kommunikation und Organisation sowie deren Digitalisierungsstand. Die Teilnehmenden sollen dabei vorbildliche Lösungen hervorheben, die ihnen aufgefallen sind. Sie sollen aber auch Schwachstellen aufzeigen und Wege zur Verbesserung vorschlagen.

Das Netzwerk wird von Herrn Professor Thomas Glatzel von der Technischen Hochschule OWL moderiert. Er ist überzeugt, dass sich durch den Erfahrungsaustausch und die „Best Practice“-Lösungen sowie die methodischen Impulse der Experten aus Hochschule und Fraunhofer IOSB-INA enorme Wettbewerbsvorteile erzielen lassen.

Eine Gruppe von Männern in weißen Kittel besichtigt ein Unternehmen
Bei gemeinsamen Betriebsrundgängen werden vorbildliche Lösungen, aber auch Schwachstellen aufgezeigt / © IHK Lippe

Antworten auf zentrale Fragestellungen

Das Lernende Netzwerk will praktikable Antworten auf drängende Fragen mittel-ständischer Unternehmen liefern, z. B.:

  • An welchen Stellen hakt es in den derzeitigen Prozessen und Abläufen? Wo reichen Lean-Methoden aus und wo bringt die Digitalisierung zusätzlichen Schub?
  • Wie wirken sich Industrie 4.0 und Digitalisierung auf die eigenen Geschäftsprozesse aus?
  • Wo steht das eigene Unternehmen im Vergleich zum Wettbewerb?
  • Welche Maßnahmen sind erforderlich, um in einer digitalisierten Welt wettbewerbsfähig und erfolgreich zu sein?
  • Welche Maßnahmen rechnen sich?

Vier Quick-Checks zeigen, an welchen Stellen Nachholbedarf besteht

Ein wichtiger Bestandteil des Lernenden Netzwerks sind Quick-Checks zu den Themen Produktions- und Prozessoptimierung, Industrie 4.0, Controlling und Instandhaltung. Mithilfe dieser Checks können sich die Unternehmen mit anderen Betrieben vergleichen und auf dieser Grundlage Optimierungsmaßnahmen im eigenen Unternehmen identifizieren und einleiten: „Die Quick-Checks ermöglichen eine individuelle Standortbestimmung“, berichtet Professor Wilfried Jungkind von der Technischen Hochschule OWL. Zunächst wurde der Produktions-Check durchgeführt. Hierbei werden die Ziele in der Produktion, die eingesetzten Methoden sowie die bisherigen Maßnahmen betrachtet. Aus der Bewertung entstehen Spinnendiagramme. „Hier erkennen die Unternehmen dann sehr schnell, an welchen Stellen Nachholbedarf besteht“, weiß Jungkind aus Erfahrung. „Auf dieser Basis können wir mit unserem methodischen und technologischen Wissen gemeinsam mit den Unternehmen die weiteren Schritte und Maßnahmen zur Prozessoptimierung und Digitalisierung planen“, ergänzt Glatzel.

Neue Impuls von außen unterstützen bei der Optimierung von Prozessen

Im ersten Kick-Off-Meeting im September 2018 wurden diese Quick-Checks den Teilnehmern im Detail vorgestellt. Weiterhin zeigte Professor Glatzel den Vertretern aus der Industrie, wie sie auf ihrem Weg zur Digitalisierung von der intensiven Zusammenarbeit im Netzwerk profitieren können. Seitdem ist viel passiert:

  • In den Unternehmen wurde gemeinsam mit den Experten aus den Forschungseinrichtungen der Quick-Check zur Produktion und der Industrie 4.0-Check durchgeführt.
  • In den vier weiteren Netzwerktreffen im Jahr 2019 wurden die Ergebnisse dann in der Gruppe diskutiert. Dabei konnten konkrete Handlungsempfehlungen für die jeweiligen Unternehmen aufgezeigt werden.
  • Zusätzlichen Input lieferten Fachvorträge und Praxisberichte zum Thema Arbeit 4.0 und der partizipativen Gestaltung bei der Technologieentwicklung.
  • Bei jedem Netzwerktreffen haben die Unternehmen auf Grundlage der erfolgten Betriebsbesuche wertvolles Feedback von den Teilnehmern aus den anderen Firmen erhalten. Die hieraus entstandenen Ideen werden nach und nach umgesetzt.
  • Bei einem Netzwerkmitglied, einem mittelständischen Hersteller von Kunststoffteilen für die Automobilindustrie in Bielefeld, wurde das Treffen dann gleich als Methoden-Workshop genutzt. Nach einer Einführung in die Wertstromanalyse wurde die Methode gleich selbst ausprobiert: Die Teilnehmenden sollten an zwei Anlagen einen Wertstrom aufnehmen. Anschließend erarbeiteten sie ein Wertstrom-Design, um Verschwendungsquellen zu erkennen und die Produktionsprozesse zu verbessern.

Beim nächsten Treffen Anfang 2020 werden dann die Ergebnisse des Controlling-Checks vorgestellt. Auch dieses Mal wird sich ein intensiver Austausch darüber entwickeln, wie der derzeitige Stand in den einzelnen Unternehmen ist und welche Prozesse als nächstes angegangen werden sollten.

Der gemeinsame Austausch ist der Schlüssel zum Erfolg

Seit dem Kick-Off-Meeting, bei dem sich die teilnehmenden Industrievertreter auf Inhalte und gemeinsame Ziele geeinigt haben und sich gegenseitig besser kennenlernen konnten, hat sich das Netzwerk sehr positiv entwickelt. Über die Zeit ist ein intensiver Austausch der Teilnehmenden entstanden, die engagiert zusammenarbeiten, um nachhaltige Strategien und Maßnahmen für das jeweilige Unternehmen zu entwickeln und umzusetzen. Matthias Carl, stellvertretender Geschäftsführer der IHK Lippe, ist begeistert über die Atmosphäre: „Die Teilnehmer des Netzwerks sind sehr spontan und offen. Ich war von Anfang an vom Erfolg des Lernenden Netzwerks überzeugt. Bei jedem Treffen merkt man, dass sich hier eine vertrauensvolle Kooperation entwickelt hat.“

Die enge Zusammenarbeit der Unternehmen zahlt sich aus: Die Teilnehmer bekommen hier zahlreiche Anregungen und Impulse aus der Praxis. Gemeinsam mit den Expertinnen und Expertinnen der Forschungseinrichtungen entwickeln sie neue Ideen und ein nachhaltiges Digitalisierungskonzept für ihr jeweiliges Unternehmen.

Aufgrund der sehr positiven Erfahrungen wird für den Zeitraum 2020-2022 mit interessierten Unternehmen ein zweites Lernendes Netzwerk gegründet.

Text: Matthias Carl und Dr. Matthias Böttcher


Das Lernende Netzwerk „Von der Prozessoptimierung zu Industrie 4.0“ ist ein Kooperationsprojekt der Industrie- und Handelskammern Lippe und Ostwestfalen mit der Technischen Hochschule OWL, dem Institut für wirtschaftliche und technologische Unternehmensführung (IWT) und der SmartFactoryOWL.