Mann bedient Roboter

Gemeinsame Erklärung der Initiative Wirtschaft & Arbeit 4.0

Zentrales Anliegen der "Initiative Wirtschaft & Arbeit 4.0" ist es, die im Land vorhandenen Kompetenzen zu vernetzen und die mit der Digitalisierung verbundenen Chancen für die Menschen und die Wirtschaft konsequent zu nutzen. Mehr zum Selbstverständnis der Initiative finden Sie in der Gemeinsamen Erklärung.

Politik, Wissenschaft und Sozialpartner[1] in Nordrhein-Westfalen verstehen Digitalisierung als einen gestaltbaren- und nicht als einen technologisch determinierten Prozess. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Sozialpartner, die gelebte Zusammen­arbeit von Wissenschaft und Wirtschaft sowie die enge Rückkoppelung zwischen Politik und Sozial­partnern sind das Markenzeichen Nordrhein-Westfalens. Sie sind  die Grundlage für die Gestaltung von Wirtschaft und Arbeit 4.0 in diesem Land.

Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen bundesweit eine Vorreiterrolle beim Thema "Digitalisierung" einnimmt. Für die Initiative ist es zentrales Anliegen Technologieentwicklung und Arbeitsgestaltung gleichermaßen im Blick zu haben. Dafür wollen wir eine geeignete Plattform schaffen, die sich komplementär in die Strukturen des Bundes zur Gestaltung der mit Digitalisierung einhergehenden Umbruchprozesse - vielfach auch als 4. Industrielle Revolution bezeichnet - einfügt.

Die Initiative versteht sich als Impulsgeber für den digitalen Entwicklungs- und Innovationsprozess. Ziel ist es deshalb auch, konkrete Projektideen zu entwickeln, ihre Umsetzung zu begleiten und die auf Landesebene vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten entschlossen zu nutzen. Daher wollen wir den Prozess der Digitalisierung mit folgenden Zielen mitgestalten:

Kommunikation aller Wissensträger ausbauen

Die Initiative wird eine intensive Kommunikation über alle für das Thema ?Wirtschaft und Arbeit 4.0? wichtigen Institutionen, Forschungskapazitäten, Netzwerke und Aktivitäten in NRW und darüber hinaus herstellen. Die Arbeit der Initiative ist als kontinuierlicher, mehrjähriger Prozess angelegt. Ziel der Initiative ist ein gemeinsames Selbstverständnis über die Handlungsnotwendigkeiten, die sich aus der Digitalisierung für Unternehmen und Beschäftigte ergeben, zu erarbeiten und dabei gezielt die Perspektiven der verschiedenen gesellschaftlichen Akteure aufzugreifen. Sie wird sich mit für NRW wesentlichen Fragen und Heraus­for­derungen des Transformationsprozesses befassen und dabei auf die Expertise der  in NRW bestehenden und im Aufbau befindlichen Wissensträger zurückgreifen. Dabei wird es auch darum gehen, den Dialog der Unternehmen untereinander zu fördern.

Ziel ist die Herstellung von umfassender Transparenz möglichst aller Wissensträger über die Entwicklungen, Chancen und Risiken und mögliche Konse­quenzen der Digitalisierung von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft und eine konsequente Beteiligung der Sozialpartner, betrieblich Verantwortlichen, Beschäf­tigten und fachlich ausgewiesenen Institutionen am Prozess. Ein konkreter Schritt zu Herstellung dieser Transparenz wird der Aufbau eines Kompetenznetzwerks Wirtschaft und Arbeit 4.0 sein, das die Exzellenzen der Digitalisierung im Sinne eines Kompetenzatlas benennt.

Betriebliche Innovationen ermöglichen

Die rund 755.000 mittelständischen, oft familiengeführten Unternehmen (KMU) bilden das wirtschaftliche Rückgrat der nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Sie stellen 99,5 Prozent aller Unternehmen des Landes. Ca. 80 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und rund 82 Prozent der Auszubildenden sind in mittelständischen Unternehmen tätig.

Die Digitalisierung stellt gerade diese Unternehmen und ihre Beschäftigten vor enorme Herausforderungen. Produktions- und Arbeitsprozesse werden digitalisiert und mit dem Internet verknüpft. Dieser Prozess und die Suche nach erfolgreichen Geschäftsmodellen sind längst noch nicht abgeschlossen, daher ist jetzt das Zeitfenster für Mitgestaltung offen und muss genutzt werden. Beteiligungsorientiert umgesetzt, bietet die Digitalisierung große Möglichkeiten bei der Entwicklung neuer Produkte und Geschäftsmodelle, Erschließung neuer Märkte und bedeutet eine Steigerung der Effizienz im Unternehmen und Chancen für Beschäftigung gleichermaßen. Es gilt die heimischen Wertschöpfungsketten zu erhalten, zu stärken und neue aufzubauen. Studien zeigen jedoch, dass das Wissen über die Chancen bei KMU bisher oft noch nicht hinlänglich verbreitet ist. Gerade KMU verfügen eben nicht über eigene Forschungsabteilungen und -einrichtungen. Die Unternehmen melden besonderen Unterstützungsbedarf vor allem bei der passgenauen Entwicklung digitaler Technologien in ihren konkreten Produktionsprozessen an.

Der Auf- und Ausbau eines zielgerichteten Praxis-Wissenschafts-Dialogs unter Beteiligung der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen ist für die Innovationskraft der Unternehmen unverzichtbar. Ziel muss es sein, die Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung konkret in die Unternehmen und aus den Unternehmen zurück in die Wissenschaft zu bringen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Schnittstellen ?Organisation-Technik? und ?Organisation-Mensch?. Die Kooperationen zwischen Hochschulen, Wirtschaft und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind weiter auszubauen. Innovationen müssen noch häufiger in marktreife Produkte münden.

Digitale Infrastruktur ausbauen

Die Digitale Wirtschaft und Gesellschaft beruht auf einer hochleistungsfähigen Infrastruktur, die Grundvoraussetzung für technischen Fortschritt ist. In den vergangenen Jahren ist die Versorgung mit Breitbandanschlüssen und im mobilen Datenaustausch deutlich gestiegen. Gemeinsam mit allen Akteuren wollen wir den Breitbandausbau in NRW weiter massiv vorantreiben.  Die Anbindung der mittelständischen Industrie auch in den ländlichen Regionen ist von zentraler Bedeutung.

Förderinstrumente stetig anpassen

Vor allem der Wandel hin zu ?Mittelstand 4.0? ist mit hohem Investitionsbedarf verbunden und stellt neue Anforderungen an Förderung und Finanzierung. Die Digitalisierung verändert sowohl das bisherige Verständnis von Investitionen, als auch die Anforderungen an Kreditsicherheiten und deren Verwendbarkeit. Die Finanzierung und Förderung von Industrie /Mittelstand 4.0 erfordert es, die Förderinstrumentarien, die das Land gestalten kann, immer wieder auf die sich wandelnden Herausforderungen und Bedürfnisse neu auszurichten, wie es beispielsweise im Zuge der neuen EFRE-Förderperiode geschehen ist.

Kompetenzen bei der IT-Sicherheit ausbauen

Sichere IT-Systeme und Prozesse gehören zu den Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Gestaltung des Transformationsprozesses. Die Veränderungen der Geschäfts-, Arbeits- und Lebensbereiche eröffnen viele Potenziale und sind zugleich mit großen Sicherheitsheraus­forderungen verbunden. Sie betreffen vor allem Datensicherheit, Schutz vor Wirtschaftsspio­nage, Privatheit und Selbstbestimmtheit, Schutz kritischer Infrastrukturen und die Sensibili­sierung der Bürgerinnen und Bürger. Gleichermaßen ist Handlungsbedarf beim Schutz von Arbeitnehmerdaten angezeigt, die durch Nutzung digitaler Technologien ungeschützter als bislang einseh- und auswertbar werden.

Im Interesse neuer Lösungen, Produkte und Dienst­leistungen auf dem Feld der IT-Sicherheit wird die Initiative dazu beitragen, die bestehenden Kompetenzen in der Wissenschaft und Wirtschaft in NRW optimal zu nutzen und zu vernet­zen sowie gemeinsam Ziele und Maßnahmen im Bereich der IT-Sicherheit zu vereinbaren und umzusetzen. Zugleich wird sich die Initiative für neue Ansätze in der Vermittlung von Digitalkompetenz und Sensibilisierung im Umgang mit Fragen der IT-Sicherheit einsetzen. Ein weiteres Ziel ist die enge Zusammenarbeit mit dem Bund, um auf die erforderliche Transparenz des Rechtsrahmens hinzuwirken. Dazu zählen Sicherheitsfragen ebenso wie Haftungsfragen, Kaufvertragsrecht u.a..

Schlüsselkompetenzen fördern und erhalten

Der digitale Wandel der Arbeitswelt bietet große Chancen, gleichzeitig auch große Herausforderungen für die Fachkräfteaus- und Weiterbildung. Neben Lesen, Schreiben und Rechnen wird die digitale (Grund-)Bildung künftig als vierte Kulturtechnik in alle Qualifizierungsbereiche hinein wirken und die Voraus­setzung für Innovation, Fortschritt und gutes Leben und Arbeiten bilden.

Der Erwerb digitaler Kompetenzen und der Erhalt der fachlichen Kompetenzen fördert daher nicht nur die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer/-innen, sondern zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Die Initiative will einen Beitrag dazu leisten, die Voraussetzungen für lernförderliche Arbeitsplatzgestaltung und für neue Formen des digitalen Lernens zu schaffen und zu erhalten. Um die produktive Entwicklung der Gesellschaft zu fördern und Arbeitsplätze zu erhalten und auszubauen, will die Initiative sich dafür ein­setzen, dass in der Aus- und Weiterbildung mehr als bisher die zentralen Schlüsselkompetenzen digitales Wissen, Kreativität, inter- und transdisziplinäres sowie unternehmerisches Denken und Handeln gefördert werden.

Arbeitswelt aktiv gestalten

Digitalisierung und Vernetzung haben erhebliche Konsequenzen für die Arbeitswelt. Dafür stehen die Flexibilisierung von Raum und Zeit bei der Leistungserbringung, neue Formen der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine und eine Zunahme (Solo-)Selbständiger Arbeitsverhältnisse. Die Ausgestaltung der Digitalisierung ist eine gesellschaftliche und ökonomische Aufgabe, bei der der Arbeitswelt eine Schlüsselrolle zukommt: Menschen gestalten als Produzenten und als Anwender den digitalen Wandel.

Die Initiative wird dazu beitragen, dass technologische Innovationen vorangetrieben und eingesetzt werden und die Facharbeit als Wettbewerbsvorteil der nordrhein-westfälischen Wirtschaft erhalten bleibt. Arbeits- und Datenschutz sind Voraussetzungen, um das Vertrauen der Beschäftigten in die Chancen der Digitalisierung zu gewinnen. Eine gesunde Arbeitsumgebung und gesundheits- und innovationsförderliche Arbeitsgestaltung sichern Beschäftigungsfähigkeit und Kreativität auch in Zeiten raschen technologischen Wandels. Dabei setzt sich die Initiative ein für lern- und kreativitätsfördernde Arbeitsbedingungen, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten für alle Beschäftigten, faire Entlohnung, eine alters- und alternsgerechte Arbeitsorganisation und die Vermeidung unnötiger Fehlbelastungen.

Gesellschaftlichen Dialog anstoßen

Mit der Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeit sind zugleich weitreichende Auswirkungen für die Gesellschaft und ihre Lebensumwelt verbunden. Warenwelt, Dienstleistungen und Konsummuster werden sich ebenso verändern wie das Verhältnis von Arbeit und Privatheit, abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit. Industrie 4.0 und das Internet der Dinge verändern die räumlichen und zeitlichen Strukturen des Zusammenlebens. Damit ergeben sich neue Freiheitsgrade und Möglichkeiten für Erwerbsbiografien und Lebensentwürfe und zugleich neue Herausforderungen, zum Beispiel für die sozialen Sicherungssysteme, die Strukturen des Zusammenlebens und den Schutz der Privatsphäre.

Die Initiative wird einen breiten gesellschaftlichen Dialog anstoßen und sich für die aktive und beteiligungsorientierte Gestaltung zukünftiger Arbeitswelten einsetzen, um die mit Wirtschaft und Arbeit 4.0 verbunde­nen Chancen für die Menschen zu nutzen, den gemeinsamen Weg dabei aber menschen­gerecht zu gestalten.

[1] Die IHKs nehmen die Tätigkeiten wahr, die mit ihren gesetzlichen Vorgaben in Einklang stehen.